Thursday, February 25, 2016

Die Umzugskatastrophe / Der lange Abschied von Ann Arbor

Der unvermeidbare und seit Jahren herbeigesehnte Rückzug aus dem Mittleren Westen brach viel schneller über uns hinein, als es uns lieb gewesen wäre. Das ist ironisch wenn man bedenkt, dass unser Zwischenaufenthalt in Michigan statt zwei Jahren über fünfeinhalb gedauert hat und sich neben dem verzweifelten Suche nach einer Alternative so ganz nebenbei auch eine gewisse Genügsamkeit (oder Bequemlichkeit) eingeschlichen hatte. Der einst verhasste Staat mit den langsamen Menschen ist nun kein anonymer Fleck auf der überflugskarte von Boston nach San Francisco mehr. Nach einem halben Jahrzehnt freiwilligen Exils wird klar, dass das Exil doch freiwillig war und unter den unbekannten Menschen überall Freunde zu finden waren. Selbige nun zu verlassen fühlt sich anders an als der Umzug von Boston, denn mit dem Abschied kommt die Gewissheit, dass wir sicher hier hin nicht mehr zurück ziehen. Und so schleicht sich in dem vermeintlichen Triumph der Rückkehr in die symbolträchtige Stadt doch wieder die Melancholie; kündigt sich die Suche des Hin- und Dazugehörens von Neuem an. Die Anker des täglichen Lebens werden einer nach dem anderen wieder gekappt.

Symbolischer letzter Blick auf den Arbeitsort der letzten fünfeinhalb Jahre. Ein ungewohntes Gefühl von außen hineinzuschauen. Viele Bekanntschaften, kurze und langwierige bleiben im Büro zurück. Als wir nach Ann Arbor zogen befand sich in diesem Gebäude der 'Flagschip' Store der damals noch bestehenden Buchhandelskette Borders. Selbige wurde 1971 in Ann Arbor gegründet und hat den Beginn des 21. Jahrhunderts nicht überlebt. Bücher werden fast ausschließlich via Amazon vertrieben und klägliche Versuche eines E-reader Geschäfts scheiterten ähnlich wie beim noch überlebenden Rivalen Barnes & Noble. Wer zu spät kommt, den bestraft der Kapitalismus. 

Obwohl weder Geldgeber noch erfolgreich war das Volleyballteam einer der Lichtpunkte des woechentlichen Alltags und der Abschied einer der schwierigsten Momente. Zum feierlichen Abschluss gab es ein vom Team gesponsortes Steakdinner im Knight's Steakhouse - selbiges befindet sich ironischerweise direkt im Erdgeschoss des gleichen Gebäudes. Wenn nur jede Woche so abwechslungs- und ausgehreich verlaufen wäre, hätten wir uns am Ende doch noch zum Dableiben entschlossen. Unterm Strich gehörten Kneipengänge am Wochenende aber eher zur Ausnahme.

Eine weitere unterschätze Komponente des langen Umzugs - wenn man knapp sechs Jahre nicht umzieht, sammelt sich so einiges an, eine durch den ursprünglichen Raumgewinn kaum zu bemerkende Nebenwirkung. Das Einpacken verwandelt sich in eine Grundsatzdiskussion - was braucht man überhaupt. Wenn eine Hose fünf Jahre im Schrank liegt, wie gross ist die Wahrscheinlichkeit dass man sie in den nächsten 2 Jahren anzieht? Wird ein Rock der vor drei Jahren noch passte in drei Jahren wieder passen? 

Kisten und Matratze sind schon sicher verstaut, die Möbel lehnen wir nun gegen die Matratze damit auch nichts umfallen kann. Soweit die Theorie. 

Die Couch wollte sich vom Apartment kaum trennen, passte nicht durch die Tür und wurde schon damals bei der Anlieferung über den Balkon ins Haus gebracht. Glücklicherweise liess sich Dan überzeugen, dass es weder gefährlich noch ungewöhnlich ist, eine Couch  über das Balkongeländer abzuseilen. Die Umzugserfahrung aus semi-professionellen Tagen war bei dieser Aktion fast so hilfreich wie die vom Bürojob verkümmerte Muskulatur überfordert.

Zu guter Letzt war dann doch die Wohnung leer. Der Fußbodenbelag bei Weitem nicht mehr so sauber, die weißen Wände lange nicht mehr weiß, aber doch irgendwie sieht wieder alles so aus wie beim Einzug. Damals hatten wir nur keine Möbel und keinen Umzugshelfer. Wer hätte das gedacht, vor wenige Monaten hab ich mir bei Dan für einen Tag Umzugshilfe eine Flasche Rum verdient, nun bezahlen wir ihn mit 2 Sechserpacks IPA. Nach vollendeter Beräumung standen nun nur noch 6-7h Autofahrt zwischen uns, einem Hotelzimmer, und dem seit Wochen bedrohlich auf uns wartenden Schneesturm an der Ostküste.

Noch parkt der Umzugstruck friedlich in der winterlich kalten Morgenluft. Pflanzen und Lebensmittel wurden über Nacht ins Hotelzimmer evakuiert. Schon ein ungewöhnliches Gefühl, wenn alles was man besitzt in diesem Truck übernachtet - da ist man einen Autodiebstahl oder Unfall vom Ruin entfernt. Das ist besonders dann beunruhigend wenn man direkt auf den grössten Blizzard des Jahres hinzu fährt, ausgerüstet weder mit Schneeketten noch Winterrädern. Die Dame beim Verleih des U-haul Trucks hatte auf wiederholte Nachfrage nichts besseres anzubieten als die Vergewisserung die "Reifen würden regelmäßig geprüft ob sie genug Profil haben."

Pfennig verhielt sich zum Umzugstruck wie ein Pilotfisch zum Wal.Alternativ stelle man sich einen Lotsen mit Öltanker vor.

Kurz nach Beginn der zweiten Etappe am Sonntagvormittag mitten in Pennsylvania, den Pilotfisch immer fest im Visier auf dem Interstate 80.

Montagmorgen geht es erstmal ins Büro, das Kistenchaos kann und muss warten. 

Für die Couch brauchten wir professionelle Hilfe von unseren Freunden 

Die Couch mag bezwungen sein, doch das Auspacken wird sich noch mehrere Wochen hinziehen.

Langsam lichtet sich as Chaos, doch ohne weitere Möbel wird es schwierig die Verbleibenden Kisten zu verstauen.

Pfennig muss sich langsam an die Laternengarage am Steilhang gewöhnen, auch verwöhnte Italiener stehen hier auf der Strasse.

Die altbekannte Skyline am Charles River, Blick nach Osten von der Brücke zwischen Boston University und Cambridge.

Storrow Drive, einer der Hauptverkehrswege durch die Stadt und für Umzugstrucks und Lastkraftwagen streng zu vermeiden. Die Brücken und überführungen sind hier so niedrig dass man hier problemlos an der ersten Bruecke steckenbleibt, und dann wird es teuer. Die Strasse entwickelte sich zum Angstgegner bei der Rückgabe des U-haul Umzugswagens, denn Jennifer's Telefon bestand darauf den kürzesten Weg zu nehmen und führte uns mehrere Male im Kreis immer wieder zum Storrow Drive zurück. Nichts für meine schwachen Nerven, die Angst auf dem Titelbild der lokalen Zeitung oder im TV zu landen war grösser als das Vertrauen in die vom unwissenden Google wiederholt in die Falle gelockte Lotsin. So kam es das die Rückführung des Trucks nicht nur 2 Stunden dauerte sondern auch fast in einem Kreislauf- und Ehenkollaps endete. 

best,
-k



3 comments:

Anonymous said...

Lange erwartet, interessiert gelesen, aber der erneut aufkommende Frust über die von mir mehr als ungeliebten Tatsachen lassen mich einfach nur bemerken no comment

Anonymous said...

na endlich, das wurde ja auch mal zeit :)
sehr interessant und doch ein wenig überraschend, dass der Abschied dann doch so schwer fiel....und wo du jetzt eigentlich arbeitest hast du mir auch noch nicht verraten :(

Anonymous said...

Haben interessiert Deine Umzugsstory gelesen; habt ja allerhand Kisten mitgenommen, wo habt Ihr das alles blos in der alten Wohnung verstaut gehabt!Ja ja, so ein Umzug ist nicht ohne, noch dazu, wenn solche Entfernungen dazwischen liegen! Wir können ja auch ein Lied davon singen!!!Bin gespannt, wann wir Bilder von der eingeräumten Wohnung sehen. Ansonsten wünschen wir Euch viel Glück in Eurem neuen zu Hause, denn das könnt Ihr Beiden bestimmt gebrauchen.