Sunday, April 26, 2009

Auf und ab im April

obwohl die Amerikaner laut Gallup Poll zu 67 Prozent hinter ihrem neuen Präsidenten stehen, und das ob der zahlreichen wegweisenden Legislativinitiativen, deren Tragweite zumindest die Konservativen doch deutlich zu stören scheint. In Texas und anderen Bundesstaaten mit starken republikanisch-orientierten Bevölkerungssegmenten hält man mit tatkräftiger Unterstützung des Propagandanachrichtensenders FOX News bereits Tea-Parties um gegen die als oppressiv empfundene Regierung zu demonstrieren, der Gouverneur hat selbst einen Austritt aus der Union nicht ausgeschlossen, da angeblich ganze Bevölkerungsgruppen durch die neue Regierung nicht repräsentiert und zu Unrecht zur Steuerabgabe genötigt werden...
Doch von den bizarren innenpolitischen Gegebenheiten des Gastlandes einmal abgesehen wird die Situation vor der Haustür im Zuge der sich in den Köpfen der Meinungsmacher zwar abschwächenden Wirtschaftkrise nur langsam und unwesentlich besser, in einigen Einzelfällen sogar extrem schlechter.
Das Unijahr ist fast vorüber und wie jeden Sommer suchen die Studenten (und überhaupt alle die im Besitz einer Arbeiterlaubnis sind) nach Nebenjobs um sich den Sommer über zu finanzieren bis dann mit Beginn des neuen Schuljahres wieder die Regierungs- und Privatkredite greifen die vielen hier das Überleben während des Unijahres ermöglichen.
Nun sickert wie überall die Krise auch hier recht zügig nach unten durch und statt offener Stellen gibt es selbst in Amerika Arbeitslosigkeit und Stellenkürzungen. So kommt es das Jennifer für den Sommer noch keinen Job hat und dank des noch ausstehenden Recitals (und dem damit verbundenen Übungs- und Vorbereitungsaufwandes) weder Zeit noch Kraft für eine erfolgreiche Jobsuche hatte. Wenn sich dahingehen nicht bald etwas ändert (etwa in den nächsten 7 Tagen) stehen wir vor einem großen Problem.
Doch jammern wollen wir mal nicht, den anderen geht es noch viel schlechter. Den Obdachlosen zum Beispiel, deren Zahl hier auch dramatisch zugenommen hat angesichts der Tatsache das doch recht viele hier ihr Haus verloren haben und nun im Auto oder der Obdachlosenunterkunft wohnen.
Aufbauende Geschichten wie diese denke ich mir leider nicht aus, die stehen im Boston Globe. Und selbiger, um nun die Überleitung ganz glatt hinzubekommen, ist auch so gut wie am Ende. Das mag zwar in Deutschland keinen interessieren doch für mich persönlich ist das schon eine kleine Katastrophe. Nachdem in den letzten Wochen bereits einige namhafte und traditionsreiche Zeitungen die Pressen stillgelegt haben, könnte nun bald (am 1. Mai zum Beispiel) eines der Flaggschiffe der Nordamerikanischen Presse die Segel streichen (oder wie andernorts von Piraten geentert werden, aber dazu später).
Vor 3 Wochen hat die New York Times, Eigentümer des Globe seit einigen Jahren und ihrerseits von Millionenverlusten und Werberückgängen von mehr als 30% betroffen, dem Globe ein Ultimatum gestellt. Der Globe verlor letztes Jahr allein über 50 Millionen, dieses Jahr werden es 85 Millionen. Nun fordert die Times 20 Millionen an Einsparungen von den Gewerkschaften des Globe und damit schwingt wie das Konkurrenzblatt Boston Herald mit Genugtuung feststellte, das Beil schon recht nah über dem Kopf der einzigen großen Qualitätszeitung der Stadt. Und damit sieht es schlecht aus für meinen potentiellen Arbeitgeber und Startpunkt einer großen Journalismuskarriere. Die Chancen jedenfalls, das man mir beim Globe mal einen Job anbietet sind wohl recht dünn. In einem Verzweiflungsakt und in der Hoffnung dass viele andere es uns gleichtun haben Jennifer und ich sofort ein Abo abgeschlossen, denn wie wir alle wissen hängen die werbeeinnahmen einer Zeitung ganz entscheidend von ihrer Leserschaft ab. Und wenn diese nun entgegen dem Trend ganz steil nach oben schießen würde...na dann vielleicht...

Ähnlich geht es dem traditionsreichen Unternehmen Filene's Basement, einer Kette von Modehäusern deren Spezialität der Verkauf von gnadenlos heruntergesetzter Designer und Markenware war (und noch ist). Nach stetigen Umsatzverlusten wurde die einst erfolgreiche und in Boston gegründete nun dahinsiechende Kette an eine Art Insolvenzverwalter in Kalifornien verkauft. Das Ende ist auch hier abzusehen.

Und um dem ganzen noch einen drauf zu setzen geht auch der MBTA ganz schnell die Kohle aus. Nachdem die Gesellschaft für Öffentliche Verkehrsmittel schon angeordnet hat die nächtliche Beleuchtung der Zakim Bridge abzustellen (einem heißgeliebten Wahrzeichen der Stadt) um monatlich etwa 5,000 Dollar zu sparen und die entsetzten Architekten des Kunstwerkenbegonnen haben Geld zu schicken um die Lichter finanzieren zu können, ist es nun langsam abzusehen dass auch solche Notmaßnahmen die hunderten Millionen an Defiziten nicht mehr ausgleichen können. Drastische Kürzungen im nun ohnehin wieder völlig überlasteten Verkehrsnetz der U-Bahn-Linien und Buslinien , Personalentlassungen und Einsparungen von 50% bei Wochenend- und Abend-Zügen wurden schon vorgeschlagen, die Bürger sind entsetzt und das Chaos droht. Besonders dann, wenn wie am Marathon Monday letzte Woche ein Marathonlauf mit mehr als 20,000 Teilnehmern stattfindet und von den 4 großen Sportteams der Stadt gleich 2 ein Playoff-Heimspiel haben und gleichzeitig die Red Sox eine Heimserie spielen... Da schließt man sich am besten zu hause ein und geht garnirgends mehr hin.

Obendrauf endete der Winter (vorübergehend) vor etwa 3 Tagen, der Campus ist voller sich sonnender Mädels die überall ausgestreckt auf den Wiesen liegen und den zukünftigen Studenten, die derzeit mit ihren sich in den finanziellen Ruin stürzenden Elternteilen den Campus touren (denn in der Krise wird auch die nun bei lächerlichen 35,000 Dollar liegende Studiengebühr ein klein wenig angehoben werden müssen!) einen ganz attraktiven Anblick bieten. Die meisten der Mädels sind entweder Sonnenstudio gebräunt und damit immun vor der gleißenden Sonne oder verwandeln sich angesichts der noch immer fehlenden Laubschicht auf den weiterhin winterlich aussehenden Kahlgerüst-Bäumen in Kürze in Hummer. Nur von der Natur begnadete Einzelkünstler wie der Auto des Blogs werden auf Anhieb schmerzfrei braun.

Um der Bräunung ein wenig auf die Sprünge zu helfen und wenigstens einmal die Woche mit der sich kaputtarbeitenden Freundin (=Mitbewohnerin) ausspannen zu können, sind wir gestern mal eben an einen der schönsten Strände hier gefahren (laut Zeitungsumfrage im Phoenix der beliebteste Strand in Massachusetts). Crane Beach hat uns dann auch ordentlich gefallen dank arktischer Wassertemperaturen auch vom Baden abgehalten. Der Golfstrom hat leider keine Ausfahrt die nach New England führt und die Gewässer erhitzen sich hier damit erst gegen Ende Juli. Trotz der schmerzhaften Wassertemperaturen, die selbst ein Fußbad zu einer Kneipp-Tortur verkommen lassen, bzw. die gleichnamige Kur als angenehm warme Erinnerung ins Gedächtnis zurückholen, war der Strand gut gefüllt, ohne einen jedoch zu nerven, denn zwischen den vielen Sanddünen und auf den Wanderpfaden durch die Dünenlandschaft kann man den Massen hier sehr gut entkommen, fühlt sich in kürzester Zeit wie in eine Wüste verpflanzt und lechzt nach Wasser. Bilder dazu unten.

Nun, die Liebe zum Strandleben und die Aussichtslosigkeit der Jobsuche mit oder ohne Arbeitserlaubnis lassen eigentlich die Piraterei als einzige Alternative. Selbige scheint laut Medienberichten Hochkonjunktur zu haben und obwohl der erste (jämmerlich dünn und hilflos aussehende) Seeräuber schon an Land gefischt wurde und nun entgegen fast aller Gesetze des Planeten in Amerika vor Gericht steht, nachdem er bei Verhandlungen unter weißer Flagge verhaftet wurde und nun auf Basis eines seit hundert Jahren nicht angewendeten schwammigen Gesetzes wahrscheinlich zu Urlaub auf Lebenszeit verurteilt werden kann, scheint es doch gerade deswegen sinnvoll sich mit dem Piratendasein anzufreunden. Meint ihr nicht?

Nun haben wir den bogen gekriegt, von der Trostlosigkeit der wirtschaftlichen Lage im großen und im Kleinen, über den langsam erblühenden Frühling, der sofort gegen den Sommer eingetauscht wurde bis in zur Piraterei alles abgedeckt und berichtet, ein einziges Auf und Ab - fehlen nur noch die Bilder:

best,
-k

PS: und da hab ich die Fast-Panne mit überhitztem und qualmig-stinkendem rauchschwadenproduzierenden Motor auf dem Rückweg von Ipswich, des Nachtens an unseren Türen rüttelnde Eindringlinge, (Heu)schnupfen und den kürzlich gestellten Craigslist-Killer noch gar nicht erwähnte!!!

Osternachlese I
Osternachlese II
Frühlingsatmosphäre
Blühende Landschaften
selbst in East Boston...man beachte jedoch das noch sehr spärliche Blattwerk..wie im Winter
Sonnenuntergang im Stadtpark, Downtown
Boston von seiner schönsten Seite
Szenenwechsel...Sommer in New England, einen Tag später
Dünenlandschaft, Crane Beach, mit Statist
gefühlte -4 Grad im Atlantik
von zu kalt zu zu heiß

Jennifers missglückter Frisörbesuch bescheehrte ihr rotblonde Haare (nach eigenen Aussagen sieht sie aus wie Ronald McDonald), Nachbesserungstermin ist für Dienstag angesetzt, bis dahin wird eine Mütze getragen...
Verdurstet in der Wüste (Dünenlandschaft in Ipswich, MA)

Friday, April 17, 2009

Mitbewohnerin in Bildern

Frühstückstasse
Make-Up Utensilien (Teil I von 2,457)
Ein bisschen Eitelkeit muss sein
Haarpflege ist wichtig
behutsam navigiert sie den "eisernen Wal" durch das Verkehrschaos
auf dem Weg zur Arbeit
Musikerin beim Proben
ganz konzentriert beim Osterkarten bemalen
Sektfrühstück zu Ostern
Der Ampelmann ist immer dabei
Osterausflug
Meine Mitbewohnerin mag Blumen und fotografiert gern

SPIELPLATZ

Thursday, April 09, 2009

East Boston - Das Neue Viertel

war der geplante Titel dieses Blogeintrages, doch wichtige Ereignisse machen eine kleine Korrektur unumgänglich.

!OPENING DAY!

Fiel Montag erstmal ins Wasser und wurde aufgrund von Bostonartigem Unfrühlingswetter auf Dienstag verschoben. Damit hielt die gesamte Stadt einen weiteren Tag den Atem an bevor dann am Dienstag endlich die Saison eröffnet und damit auch dem Bundestaat Massachusetts der Frühling auferzwungen wurde. Zum ersten mal seit der langen Winterpause verwandelte sich Boston wieder in ein Meer von roten und blauen Trikots, Shirts, Baseball Caps und Socken. Der Unterschied war überall zu spüren, die U-Bahn und Straßenbahn waren belebter als sonst, die Menschen wie elektrisiert und selbst die gar dunklen Wolken waren gar nicht mehr so dunkel. Gespannt und aufgeregt saß ich an der Uni und wartete auf die neue Saison, ohne Camera und Ticket blieb mir auch nichts besseres übrig und ein Blick aus dem Fenster auf die Regenwolken versprach auch nichts Gutes!
Plötzlich kurz vor 4 dann das allen am Flughafen wohnenden Mitbürgern vertrautes Dröhnen am Horizont, doch diesmal senkte sich nicht etwa ein Passagierflieger aufs Hausdach herab, sondern eine Fliegerstaffel Düsenjets dröhnte aus Richtung Fenway Park kommend über die Stadt. Da im Internet nichts über einen Kriegsbeginn gestanden hatte konnte dies nur heißen dass die Baseballsaison nun tatsächlich und ganz wirklich begonnen hatte! In Windeseile klinkte ich mich in meinen Webstream ein und tatsächlich, nebenan wurde Baseball gespielt! Nun einen Kilometer Luftlinie entfernt schien sogar die Sonne, wenn das mal nichts hießt! Ich vermute mal die Bedeutung von Opening Day ließ den Wolken über Boston nichts anderes übrig als vor lauter Ehrfurcht ein wenig Platz zu machen damit die Sonne eine Chance hatte die Red Sox zu Saisonbeginn spielen zu sehen. Und die wird sich gefreut haben, angesichts des schönen Spiels!
Hätte es auch genossen wenn ich nicht seit Anfang der Woche Zahn-Kiefer-Ohren und Kopfschmerzen hätte. Da will mir wohl ein Weißheitszahn den Saisonanfang versauern und mich von arbeiten abhalten...
Etwas angeschlagen ließ ich dann einen Vortrag über Bob Dylan sausen der hier an der Uni gehalten wurde und schleppte mich Richtung U-Bahn um wenigstens noch einen Blick auf das Stadion werfen zu können. Die ersten Zuschauer strömten mir bereits entgegen und eine mir entgegenkommende Frau erzählte gerade vom 5-3 Sieg der Sox und wie sie dem Ehrengast, Sen. Ted Kennedy, die Hand schütteln durfte. Auch nicht schlecht.
Einen Augenblick später war das Speil dann wohl auch offiziell zu Ende und ein zufriedenens Röhren aus den Kehlen der im ausverkauften Park verbliebenen 37,000 Fans (und ein paar zerquetschten) teilte mir mit das Papelbon wohl soeben per Strikeout das den letzten Man der Rays ausgeworfen hatte. (Ein späterer Blick in die Statistik verriet es war ein 96 Meilen Fastball -ha! vgl. 7ter Paragraph).
Sekunden später wälzte sich eine glückliche Menschenmenge in die U-bahnstation, sog mich in sich auf und schwemmte mich in eine der wartenden Bahnen, vorbei and dem laut und vergebens Anweisungen gebenden Personal der MBTA und hinein in den verstopften Zug.
Die Baseball Saison ist eröffnet und die Bahn in den nächsten 5 Monaten zu weiteren 80 Heimspielen 2 mal am Tag verstopft. Hervorragend. Ich kann es kaum erwarten. Der Unterschied zu Deutschland ist hier, dass es keine Schlägereien, Pöbeleien und kaum betrunkene Fans gibt, die meisten sind hier Familien und Studenten sowie Senioren. Die Bahn ist zwar voll aber die Stimmung gut, und das ändert sich auch nach einer Niederlage nur unwesentlich.
Zurück zum Thema
Eigentlicher Sinn des Eintrages was jedoch die neue Nachbarschaft, also wenigstens ein paar Worte dazu. Nachdem ich in den letzten Tagen und am Wochenende ein paar Stunden die Straßen auf und abgewandert bin, habe ich ein paar erste Eindrücke gesammelt und teilweise auf Bildern festgehalten. Es sei dazu nur soviel gesagt:
1) Die Verkehrsanbindung ist Tunnel und Brückenbedingt etwas umständlich und die Maut kostet dank ausgesetzter Erhöhung weiterhin nur $3,50 durch den Tunnel stadteinwärts und über die Brücke $ 3.
2) English ist hier die Sprache der Minderheit und die eingeborenen hier ansässigen Neuengländer haben einen markanten Boston Akzent der für fremde immer ein wenig gemein klingt. Einmal vertraut hat er dann aber seinen Charme.
3) Bars und restaurants gibt es einige, jedoch sind diese weiter verstreut und selterner als in Allston, gut Frühstücken kann man aber auch, wenn man einmal weiß wo man hin muss.
4) Insgesamt ist das Viertel recht klein und überschaubar, größtenteils auch recht schick und familiengerecht mit neu angelegten (fast künstlichen) Parks und zwei Schulen.
5) Die Verkäuferin im Liquor Store ist sehr gesprächig und freundlich
6) Schöne Ecken, gute Aussicht und Dreckflecken in der Landschaft sind eng nebeneinander, neben einer plastisch aussehenden neuen Siedlungsecke verfallen die Häuser und verkommen Bauprojekte zu Schrotthalden
7) Nur 2 Bahnhaltestellen von hier gibt es einen schönen Strand mit direktem Blick auf die Landebahn des Flughafens, Schwimmstrecke zum Runway etwa 400 Meter.

Beim nächsten Mal dan etwas mehr über meine neue Mitbewohnerin.

best,
-k

Blick auf die Stadt von Constitution Beach, Orient Hights
Der Strand mit Blick auf den Flughafen

Parklandschaft mit Blick auf Downtown
Straßenzug East Boston
Spektakuläre Ausichten
und irgendwie auch traurige
Typischer Vorgarten, Marienstatue + Schrott vor Hinterhöfen und Feuerleitern aus schiefen Brownstone-Häusern

Frühlingsbote

Frohe Ostern, alle zusammen!

Friday, April 03, 2009

Der Große Umzug (mit Zahlen)

ist vielleicht ein typisch übertriebener Aufmacher für die folgenden Zeilen aber irgendwie muss man ja anfangen und klischeehafte Überschriften sind fast genauso gut wie originelle. Und außerdem kürzer.

Bereits bei meiner Ankunft stelle sich heraus das meine Mitbewohnerin noch bei weitem nicht alles gepackt hatte und ich trotz wochenlanger Drohungen und Proteste wohl doch so einiges einzupacken haben würde bevor der eigentliche Umzug von Statten gehen konnte. Als kleine Gegenüberstellung und zur verdeutlichung hier mal eine grobe Schätzung über die Verteilung der Besitztümer des neu zusammengelegten Haushaltes:
Gesamt:
Jennifer 96% : Matthias 4%
davon bis Dienstag gepackt:
Jennifer 35% : Matthias 97%
-->
PROBLEM
Unter diesen Voraussetzungen legte ich gewzungenermaßen die Montag- und Dienstagabendpläne auf Eis und beteiligte mich freudestrahlend an den umfangreichen Packunternehmungen.
Neben etwa 2 Dutzend Kartons die schätzungsweise zu 6/10 mit Makeup gefüllt sind, haben wir einen Wäschekorb und zwei Foliebeutel mit Schuhen gefüllt von denen, und das verspreche ich, keiner mir gehört.
Daran schließt sich an ein Set aus 5 matroschkaartig ineinanderstapelbaren Reisetaschen die allesamt mit Kleidung gefüllt wurden. Doch dies war natürlich nur ein Bruchteil der real in der Wohnung verstauten Kleidung, der Löwenanteil verteilte sich auf Ikea Beutel, Säcke, Großkartons, Reisetaschen, Waschkörbe, Garderobebeutel zum Aufhängen etc.
Allein die für das Aufhängen einiger Kleidungsstücke benötigten Bügel füllten einen 80 Liter Müllsack und eine weitere Tasche.
Nach dem heiteren Einräumen im blitz-blanken, fast staubfreien Zimmer (Ironie) wurde dann am Mittwoch ab 9:15 Uhr umgezogen. Und das mit hilfe eines 15 Fuß Umzugstrucks, den wir zum Preis des eigentlich vorbestellten 10 Fuß Vans erhielten. Und dieser Umstand stellte sich als Glücksfall heraus da wir damit tatsächlich eine Chance hatten alles auf einmal mitzunehmen.
Wärend Jennifer nocheinmal kurz an der Uni war, habe ich kurz mit meinem noch immer im Umzugsgeschäft tätigen Kumpel Chris die wenigen Möbelstücke (Matraze, Schreibtisch, Dresser mit Schubladen und Ikea-Wackel-Kleidungsverstauding) in den Truck geladen um dann zu versuchen den Rest der Möbel und Kisten vor Jennifers Rückkehr bereits im Auto verstaut zu haben und damit der Verlegenheit zu entgehen mit ihren Freundinnen Umzugskartons zu schleppen.
Der Abbau des Bettes (Malm, Ikea) war noch eine Geschichte für sich. Nachdem ich Chris ausgeredet hatte das Ding im Ganzen aus dem Fenster aufs Vordach zu schieben um es dann von dort nach unten zu würgen, stellt sich die Demontage als echte herausforderung dar, da man selbst für Ikea Betten Werkzeug benötigt und in der nun zu einer Mondlanschaft verkommenen Ramschwüste natürlich weder eine Zange noch ein 13er Maulschlüssel aufzufinden war. Nachdem Jennifer von der Ernsthaftigkeit der Lage überzeugt war und ich mich nach dem Genuss eines von Chris gesponsorten Proteinriegels (für den gesunden Muskelaufbau während der schweren Arbeit), der bei verschiedenen Menschen als Abführmittel zu wirken scheint (...), zur Besinnung ins Bad verzogen hatte, brachte Jennifer dann einen PINKFARBENEN WERKZEUGKOFFER für FRAUEN hervor, der ungenutzt als Geschenk ihrer Tante ein bis dahin trostloses Dasein unter einem Ramschberg gefristet hatte und mit wahrscheinlich für Barbiepuppen konzipierten Werkzeugchen auch weiterhin keine große Hilfe sein konnte. Als dann doch der zum Bett gehörige Ikea Ringschlüssel auftauchte war auch das Bett dann schnell demontiert und verladen und mein Magen halbwegs beruhigt.
Und so kam es, dass all meinen Befürchtungen zum Trotze, wir tatsächlich gegen 14 Uhr die 9 Meilen Wegstrecke zurückzulegen begannen. Hinaus aus Allston und auf großer Reise zurück in den Osten, durch das Tunnelsystem unter der Stadt und dem Hafen hindurch auf die Halbinsel und so nahe an den Atlantik das wir nun doch schon fast wieder in Europa sind.
Naja, nicht ganz. East Boston ist genau genommen nicht wirklich ein Stadtviertel sondern ein Flughafen.
Und auf selbiger steht am Rande des besseren Wohnviertels auf der Grenze zum Ghetto sozusagen unsere kleine Kartonhütte mit den Flughafenfesten Fenstern -deren Sinn mir angesichts der etwa 12 cm starken Holzwände nicht völlig aufzugehen vermag, da sie unter diesen Umständen die einzigen Schallreduzierenden Elemente des ganzen Hauses sind und die gegen 5 und 6 Uhr morgens auf unserem Dach landenen Boeings und Airbus Maschinen einen Weg gefunden haben, ihr Röhren und Dröhnen an den Fenstern vorbei direkt und von Erschütterungen begleitet in unsere Ohren einzulagern.
Aber gut, dafür ist wenigsten die Wohnung ganz nett und liegt zumindest wenn man nicht aus den Fenstern schaut und beim Weg zur Bahnhaltestelle (Airport) die ersten 50m die Augen geschlossen hält, eine ganz nette Nachbarschft. Das Häuschen neben unsrem sowie ein Großteil east Bostons ist fest in der Hand von Immigranten und Internationalen, deren Sprachen ich leider nicht spreche.
Und das kann durchaus problematisch sein, wie wenn man zum Beispiel nur mit einer grob im Kopf behaltenen Karte des Stadtviertels bei finsterer Nacht und in strömendem Regen allein versucht den Weg von der Haltestelle zurück zum vorher nur mit dem Umzugsauto angesteuerten Domizil zu finden. Nachdem ich die von der Vermieterin angegebene Laufzeit von 10 min leicht überschritten hatte und mir begann im Kopf ein hilfloses "Buena sera senor, una pregunta: Donde esta Putnam street?" samt möglicher Antwortalternativen (zum besseren Heraushören) zusammenzulegen traf ich doch noch englishsprachigen East Bostoner und erfuhr von ihm dass ich doch gar nicht so weit von meinem Ziel entfernt war, un doc, obwohl dies eine nicht undbedingt als gefährlich einzustufende Gegend sei, immer aufpassen sollte was um mich herum so passiert. Vielen Dank gut zu wissen, aber das sind wir doch inzwischen gewöhnt.
Das wirkliche Problem des Viertels, so wie ich es bishe einschätzen kann, ist auch nicht die Kriminalität, das wird oft übertrieben, sondern eher das bereits von meine Freunden hier kritisierte Fehlen an Kneipen, Bars, Läden und Cafes (abgesehen natürlich von Taco Mania und zahlreichen lateinamerikanischen Waschsalons, Friseuren und Restaurants. East Boston ist und bleibt trotz und vielleicht auch gerade wegen der Tunnels über die man es erreicht ein wenig vom Stadtzentrum und damit aber auch von Touristenmassen oder den in Allston üblichen umherstreunenden Studenten und BU-Kids verschont. Den einen ist es zu weit weg, den anderen die Maut oder das Taxi zu teuer, oder die Bahn fährt nicht mehr.
Ich finde es interesant und freue mich drauf ein bisschen mehr zu entdecken. Immerhin gibt es laut Internet ganze 8 Sehenswürdigkeiten, zu denen, und das sei hier relativierend noch bemerkt, auch ein Fussballplatz und eine Maria Statue gehören. Aber die anderen 6 werden hier bestimmt bald dokumentiert.
best,
-k

Blick auf das "alte Domizil"

Das neue Haus
Umzugschaos mit Statistin

Das Schlafzimmer entwickelt sich langsam


Blick über den Küchentresen zur Eingangstür
Badezimmer Stilleben
Fast gar kein Fleisch im Kühlschrank :(