Thursday, March 26, 2009

Das Ende der Unschuld (Bilder sind da)

oder so ähnlich sollte der neue Blogeintrag heißen, aber im Moment weiß ich nicht ob das wirklich der beste Titel ist.
Alles begann gestern. Bei Außentemperaturen von -48 Grad Celcius und einer Flughöhe von etwas über 12,000m über dem Ärmelkanal schwitze ich ein wenig hinter meiner Sonnenbrille als der Flieger mit etwa 700km/h in Richtung London dröhnt. Unter mir spiegelt sich die Sonne golden auf dem Wasser und scheint zumindest momentan nur für mich zu scheinen. Auf meinem kleinen iPod singt Joan Baez soeben einen Bob Dylan Song (und das auch noch in seiner Stimmlage) und nicht einmal die britischen Lautschprecherdurchsagen des Bordpersonals stören mich im Moment als wir uns langsam auf London herabsenken, und damit die dort wohl fest verankerte Wolkendecke durchstoßen. Zeitgleich heißt dieses Eintauchen unter die Wolken, dass für mich jetzt zumindest formal ein neuer Lebensabschnitt beginnt, bzw. sich unwideruflich ankündigt. Unmittelbar vor dem Ende der Unschuld also, wo nach nun fast 6 Jahren Uni ein Silberstreif am sprichwörtlichen Horizont sichtbar wird. Um dem ganzen noch einen drauf zu setzen spielt mein kleiner iPod jetzt völlig unaufgefordert und willkürlich "Streets of London", ein Dylanesqer Song über Obdachlose und gescheiterte Existenzen in der großen Stadt, ein richtig ernsthaft erwachsenes Thema eben. Sehen kann ich diese Straßen leider nicht, der Pilot kreist zwar über dem Stadtzentrum, ich sitze aber leider auf der falschen Fensterseite und erhasche nur hin und wieder einen Blick auf die Themse, und das auch nur wenn ich mein gesicht gegen das kleine Aussenfenster presse und wie ein blöder Tourist aussehe.
Mit dem Landeanflug beginnt nun die Uhr zu ticken. 3h 40min in Heathrow Airport Terminal 5 trennen mich noch vom neuen Lebensabschnitt, dem viel besungenen und in dieser Form von mir erzwungenen Arbeitsaufenthalt in Boston. 3:40h zum Nichtstun verdammt sein, Staatenlos, wie in einer Art Speicher für internationales Treibgut zwischengelagert, ohne Ausgang, ohne Stress, zur Selbstreflektion verdonnert an den großen Glasfenstern vor denen aller 25 sekunden eine Maschine gen Himmel röhrt, wie eine bleierne Ente mühselig vom Boden abhebt um eine Fracht ebensolchen Zwischenlagergutes wie meiner Selbst aus London in alle Welt zu bringen.
Was macht man wenn einen plötzlich einer zwingt 3:40h nichts zu tun, nirgendwo hin zu hetzen, nur zu warten auf den Aufbruch? Man wandert, irrt, langweilt sich, stolpert umher, fotografiert, liest, grübelt, schwitzt, hört Bob Dylans Mundharmonika bis einem die Ohren dröhnen, zögert den unausweichlichen Gang zur Bar heraus bis es keinen Ausweg mehr gibt und wird dann doch wie von einem Strudel an irgendeine Kasse, Bar, Geschäftsstelle gezerrt nur um überhaupt irgendetwas zu tun. Und gibt reumütig ein wenig Geld aus. Weil es irgendwie sein muss.
Die Sonne senkt sich langsam aber sicher, die Uhr tickt und irgendwann kommt der Aufruf zum Gate, fast eine Erlösung. Und doch irgendwie schade, denn das Nichtstun am großen sonngien Fenster ist doch eine Quelle unglaublicher Entspannung. Und Beobachten macht Spaß. Mehr noch als Selbstreflektion, daher spare ich mir auch an dieser Stelle eine Zusammenfassung der gemachten Erkenntnisse und das implizit angekündigte Resüme. Wahrscheinlich wird dann sowieso wieder alles anders als geplant, die Zeit der Sorglosigkeit endet wahrscheinlich genausowenig abrupt in Boston wie sie es das letzte Mal getan hat, trotz anstehender wichtiger Aufgaben, Termine, Pläne und dem endlich wieder geweckten -und für die Abschlussarbeit lebenswichtigen- Ehrgeiz.
Die Zeit der Dummheiten deren Ende ich zumindest mir selbst vor dem Abflug beschoren hatte ("Nie wieder mach ich eine der folgenden Sachen... " bzw. "...provoziere ich mein Glück wie damals bei...") endete zwar zumindest formal in London, aber mal ganz ehrlich, um tatsächlich erwachsen zu werden, so von heut auf morgen, reichen eben die 3:40 in London dann doch nicht aus. Was hatte ich mir dabei auch nur gedacht? Vielleicht klappt es ja wenigstens (ansatzweise) während meiner heute angebrochenen "Gnadensfrist" von 6 Monaten. Da sind wir ja mal gespannt, oder nicht?

best,
k

Als Rausschmeißer die guten Nachrichten:
- ich wurde bei der Einreise nicht zu Tode getasered/erschossen/verhaftet/deportiert
- der DAAD gibt mir noch etwas mehr Geld
- Steve Stecklow zeigt mir das Büro des Wall Street Journals
- am 31. 3. spreche ich mit meinem Berater hier über meine Magisterarbeit
- DIE SONNE SCHEINT
- für 75 Cent bekomme ich noch immer einen Boston Globe!

Erkenntnis des Tages:
-500ml French Vanilla Kaffe machen den Schlafmangel/Jetlag (5h letzte Nacht) völlig vergssen


Guiness, Sandwich, iPod
Heathrow, British Airways Terminal
Terminal 5
Terminal 5 II
Sonnenuntergang, Terminal 5

Sonnenuntergang II
Relaxed

Looking at the world over the rim of my guiness glass (tea cup)