Zu jedem Anfang gehört wohl ein (vorläufiges) Ende, und letzteres kam dann doch um einiges schneller als erwartet. Nicht alle Abschlussvorhaben ließen sich in die Tat um setzen vor der Abreise aus der großen Stadt die uns mit ihrer Energie, Aufregung und ihrem Elend, dem Kampf um die bloße Existenz hat auf Trab gehalten hat.
So gutes Essen wie hier gab es selten, viel zu oft fehlte die Zeit und Muse zum Kochen.
Zu den nennenswerten Akten mit Sentimentalwert zählen die beiden Red Sox Spiele gegen die Angels und die Blue Jays. Wenn etwas aus Boston der Stadt ein zuhause machen kann, dann sind das die Red Sox und Fenway Park. Schon beim Eintritt ins älteste Baseball Stadium des Landes verspürt man den Zauber des geschichtsträchtigen Ortes, in dem man schon Anfang des 20. Jh. das Team bewundern durfte, damals wahrscheinlich im Anzug und mit Melone. Heute sieht das anders aus, doch über die Lautsprecher dröhnt noch immer das alte Baseball Lied im 7. Inning, und dann kurz darauf Neil Diamonds Sweet Caroline, 81 mal im Jahr und jedesmal singen 37,000 und ein paar zerquetschte aus voller Kehle den Refrain. Spätestens dann merkt man was Boston ausmacht, was ihr einen Character gibt, den ich woanders (ganz besonders in New York) noch nicht gefunden habe: Es sind die Fans der Red Sox, das Team und der Ballpark, mehr noch als die Geschichte, der Hafen oder das Wetter. Es ist die große Grüne Wand in Left Field, das Grüne Monster, die $ 7,25 Hot Dogs (die 2 Blocks weiter nur noch $ 1 kosten), die nervigen Süßwaren und Getränkeverkäufer in ihren gelben Uniformen, die illegalen Ticketverkäufer auf der Straße, der unfreundlich, hart klingende Boston Akzent mit den fehlenden R's und den gedehnten A's, und die verstopfen U-bahnen und Straßen vor und nach den Heimspielen, die paranoiden Sportjournalisten des Globe, die Sporttalkshows im Radio, die Weltuntergangsstimmung nach einer Niederlage. Die Stadt steht und fällt mit ihrem Team, und die Fans sind Teil des Teams.
Big Papi hatte einen furchtbaren Tag gegen die Angels und schwang des öfteren ins Leere, das Spiel gewannen wir trotzdem
Jennifer's erstes Red Sox Spiel - ein Hochzeitsgeschenk unserer bayrischen Freundin Uli (rechts)
:)
Offenbar ist Baseball gar nicht langweilig, besonders wenn man gewinnt
Youkillis 8tes Inning gegen Toronto, einem weiteren "gesponsorten" Spiel
Das große Scoreboard kündigt Daniel Bard an, den "Flammenwerfer" dessen Fastball bis zu 101 mph erreicht
Papelbon, der Fanfavorit und Closer feuert einen 95mph Fastball über die Platte und nicht nur die Zuschauer wissen das es vorbei ist
Mit der Abreise aus der Stadt kam auch der Abschied vom Globe, denn selbigen wird man wohl kaum bis nach Michigan liefern. Der Anruf beim Kundenservice fiel mir schwerer als der Abschied von Freunden und Bekannten bei unserer kleinen Abschlussfeier am Freitag (14. 5.). Das gegenüber jemand verhaftet wurde uns daher kurzzeitig die ganze Straße gesperrt, die Vermieterin von der Polizei vom Verlassen des Hauses gehindert wurde hat keiner etwas gemerkt. Im Gegenzug verpasste die Polizei dann wie Jen und ich wohl leicht angetrunken die letzten Feuerwerkskörper vom 4. Juli letzten Jahres am Hafenkanal verpuffen ließen.
Randy versucht sich für den Globe zu interessieren
Erst nebenbei und dann hauptberuflich wurde natürlich noch fleissig gepackt, wie immer dauerten Jennifers Kleider dabei länger als alles andere im Haus. Hinter den Kulissen wurden dann noch die Umzugsfirma organisiert, eine Parkerlaubnis für den großen Umzugshänger in der City Hall besorgt -ein kafkaeskes Kurzabenteuer für nur 40 Dollar und Sonntagnacht aus Tradition und Jennifers Warnungen zum Trotze noch einmal mit den teuflischen Scorpionbowls in Chinatown angestoßen - jener Mischung, die mir schon in der Nacht vor der Hochzeit das Einschlafen erleichterte. Der nächtliche Streifzug durch die Stadt führte diesmal durch Beacon Hill, dem berühmten, reichen Viertel und dort direkt vorbei an Senator John Kerrys Haus, welches dank der über der Tür wehenden Fahne auch leicht auszumachen ist.
Und so endete die Zeit in Boston genauso wie sie anfing, aufregend, erlektrisierend und mit immer neuen Überraschungen und Erlebnissen und täuschte damit fast über die Tatsache hinweg, dass besonders die letzen Wochen und Monate hier eine Qual waren, Jennifer sich mit der Arbeit aufreibt, die Uni vernachlässigen muss, kaum Geld für die Miete da ist und ich nutzlos auf meine Papiere warten muss, nicht in der Lage zu helfen und auch bei weitem nicht glücklich mit dem Leben so nahe am Ruin. Denn auch das war Bosten, der verzweifelte Kampf gegen die sich ringsumher auftürmenden Kosten, eine mickrige Wohnung im Ghetto, umgeben von Drogendealern (die mir nie so aufgefallen sind wie Jennifer), zu niedrig fliegenden Flugzeugen, Müll und nerviger Musik aus El Salvaor, Polizeisirenen, und sinnlosen Autoalarmanlagen die auf Tiefflieger und streunende Katzen reagieren und der viel zu lauten Familie der Vermieterin mit dem viel zu oft schreiendem Ehemann aus Peru, von Jennifer liebevoll "der dicke Mann" getauft und deren über unseren Köpfen herumtollenen Hunden der Vermieterin, Jennifers Versuche mit Ohrenstöpseln zu schlafen in unserer von Kakerlaken nie wirklich befreiten Bude etc.... Und nicht einmal dafür reichte das Geld am Ende wenn du nicht arbeiten darfst. Und vom Meerblick am Hafen, den glitzernden Bars und den reflektierenden Wolkenkratzern im Finanzviertel wurde ich auch nicht satt.
Das alles aber lassen wir zurück, und wahrscheinlich noch mehr, jedenfalls erwarteten wir Montag Morgen dem 17. 5.gegen 8 den Umzugstruck.
Die erste Kiste ist gepackt
langsam ordnet sich das Chaos
Schlafzimmer, Samstag, 15. 5.
best,
-k