Monday, December 01, 2008

Thanksgiving in Pittsburgh, PA

ist nun auch schon wieder Geschichte. Die Verwandschaftsbesuche abgehakt, Nettigkeiten ausgetauscht, Small Talk verhallt und die Truthähne verspeist. Nach fürchterlichen 14h Autofahrt durch das Hinterland Pennsylvanias, durch den Norden New Yorks, Connecticut und ganz Massaschusetts liegen nun die letzten rund 600 Meilen hinter uns und Boston begrüßt einen mit einem kaum zu bewältigenden Berg an aufgeschobener Arbeit und einer Flutwelle an Stress die einem den längst überfälligen Schlaf raubt.
Aber der Reihe nach, nachdem wir am vergangenen Mittwoch nach nur 10 Stunden Fahrt ins winterlich kalte und doch weitgehend schneefreie Pittsburgh kamen, war ich zunächst überrascht wie wenig hässlich die ehemalige Stahl- und Schwerindustriestadt doch eigentlich ist. Mit Vorstellungen einer rauchig-schwefligen Rust-Belt Stadt gepaart mit Bildern einer 19. Jh. Industrialisierungs- und Fabrikenlanschaft im Kopf war mein Erstaunen entsprechend groß, als die malerische Skyline der nun fast völlig schwerindustrielosen Stadt von 3 Flüssen eingebettet friedlich vor uns lag. Die einzigen Spuren der Industrialisierung sind die Museen und ein paar vereinzelte Koks- und Stahlwerke in den Außenbezirken.
Ähnlich phantastisch wie meine Vorstellungen von der Stadt, waren wohl auch die Erwartungen von Jennifers Familie. Ihr Großvater, ein 82 Jähriger Hühne und Weltkriegsveteran hatte schon telefonisch seine Begeisterung über den neuen Freund anklingen lassen:
Beispiel I
...
Mr Sloan: "Wo kommt er denn her?"
Jennifer: "Deutschland"
Mr Sloan: "Ooooohhhhhh"
...

Beispiel II
...
Mr Sloan: "Wer von euch fährt denn"
Jennifer: "Kuli und ich wechseln uns ab"
Mr Sloan: "Ich dachte die Deutschen fahren nur Panzer"

Trotz dieser wohl nicht böse gemeinten Scherze Jennifer gegenüber schien ihr Großvater aber ganz angenehm zu sein, lud uns nach unserer Ankunft auch prompt zum Essen ein. Während unseres Gespräches ergab sich die Gelegenheit ein, zwei bestehende Vorstellungen zu korrigieren: Dresden ist tatsächlich wieder aufgebaut worden, in den letzten 60 Jahren und auch Berlin konnten wir im Sommer besuchen. Die Bemerkung über dem Berlin Besuch rief immerhin ein (komisch aufgesetzes) Erstaunen hervor, schließlich hatte man doch "die Hölle aus der Stadt herausgebombt."
Neben dem zu Scherzen aufgelegten Großvater mit seiner riesigen V8 Benzinschleuder, der den ganzen Tag und die halbe Nacht an seiner Boostanlegestelle nebst Restaurant arbeitet und weilt, wurden mir zahlreiche Cousinen, Cousins, Tanten und Onkel, Freunde und Bekannte vorgestellt, deren Namen ich auch nur zur Häflte wieder vergessen habe.

Am Donnerstag erwarteten uns daher auch Zwei Thanksgiving Dinner und entsprechende Essorgien. Eine Liste der gegessenen Speisen erspare ich mir aus Platzgründen, Truthahn und Süßkartoffeln waren aber natürlich dabei. Zuvor gab es eine kleine Rundfahrt durch die am Feiertag fast ausgestorbene Stadt, einen Besuch des gelben Herzens der Stadt, dem Heinz Stadium, der Heimat der (von mir verhassten) Steelers.

Nach einem ruhigen, jedoch erneut essensreichen Freitag blieb Samstag noch genug Zeit für einen spontanen Ausflug, der jedoch seinen eignen Blogeintrag erhalten wid (Link folgt).
Sonntag dann, die schon erwähnte Heimfahrt, einem fatalen Fehler. Nach einem ausgedehnten Frühstück bei Jennifers Tante kamen wir erst gegen gegen 10am aus Pittsburh weg und wurden dann in der am Sonntag nach Thanksgiving üblichen Blechlawine von nach-hause rollenden Trucks und Familienkutschen. Und dann der Regen, 14h ohne unterbrechung, mindestens 9h davon in absoluter Dunkelheit, Stau, Schrittempo, Unfälle, tote Waschbären auf der Straße und alles was einem so richtig den Tag vermiest. Im Autoradio zertrümmern die Steelers soeben live die Patriots, Jennifer lacht und Bill ruft aller 10 minuten an um zu hören wie es mir geht. Nicht nur ist das Spiel verloren, sondern auch die Wette und damit ein weiteres Bier. 3h später ist das Gemetzel in Foxboroughs Gillette Stadium noch immer nicht vorbei, und der Pittsburgh Sportsender treibt mich in den Wahnsinn. Das Radio scannt, aber ausser Country und dem Bibelsender gibt es fast keinen Empfang im Hinterland Pennsyvanias. Dann die Trucks, rollende Stahlkolosse, gesteuert von Redneck Republicanern. Am Rasthof verkauft man an die 50 Sorten Beef Jerkey, Campingausrüstung und die Bibel. Daneben die Autobiographie von Chuck Norris. Gürtel mit dem amerikanischen Adler drauf, Messer, Flaggen, die ganze Palette. Zurück im Auto läuft Polka, immerhin hat die zweite Immigrantenwelle eine große Anzahl von osteuropäischen Einwanderern nach Pennsilvania gespült, samt ihrer Musik. Der Mann im Radio warnt vor den Straßenverhältnissen, "aufgepasst Tschechei" es ist glatt. Nur noch ein Tag und die Buck-Season beginnt und die Verrückten können wieder den ganzen Wald kahlschießen.
Was man doch auf der Straße so über ein Land erfährt. Es leben die Roadtrips!

Pittsburgh, hier beginnt der lange Lauf des OhioSkyline vom Fuße des Ohio

Das Geld der Großunternehmer wurde auf dem Rücken der scherwarbeitenden Stahlarbeiter gemacht, nach der Ausbeutung dann die Ehrenrettung. Die meistend er gut ausgestatteten Stadtbibliotheken wurden aus Privatvermögen finanziert, die Public Library in Pittsburgh ist eine von 2,500 Bibliotheken die der Großverdiener Carnegie hat finanzieren lassen.
Koks Fabrik ausserhalb Pittsburgh, ist diese Art der Energieerzeugung der Grund oder Teilursache der vielen Krebserkrankungen in der Stadt?

Ketchupimperium finanziert Profisport

Peace,
K

1 comment:

Anonymous said...

Da solltest du dem Großvater wohl Beweisfotos schicken, sonst glaubt der bis an sein Lebensende wir wohnen in Trümmern. Vielleicht helfen ja auch Jennifers Sommerbilder.In welchem Teil der USA warst du eigentlich noch nicht?