Thursday, September 09, 2010

Westwaerts und Ostwaerts auf dem I-94

Wenn am Pooltoor eine schwere Metallkette haengt ist der Sommer vorbei. Sowohl das nun doch kuehlere Wetter als auch die kuerzer werdenden Tage deuteten schon darauf hin. Annes Besuch Ende August wohl auch. Der Beginn der College Football Saison macht es fast offiziell. Die Gluehwuermchen sind schon weg, die Voegel machen sich auf den Weg. Der Sommer neigt sich dem Ende zu und dass ohne wirklich stattgefunden zu haben, zumindest an meinem Schreibtisch im 3. Stockwerk der 213 South Ashley Street war es meist kuehl und schattig. Aber der Reihe nach.

Der schone erwaehnte Besuch gab Gelegenheit einmal die Kleinstadt zu verlassen und ein wenig in der naeheren Umgebung nach Abwechslung zu suchen. Selbige finde man zum Beisiel in der einst boomenden Automobil Stadt Detroit – von den nun wieder den Aktionaeren gehoerenden General Motors Tuermen mal abgesehen ist allerdings von der Stadt nicht mehr viel uebrig. Einst eine der groessten Stadte des Landes ist Detroit nun eher ein Niemandsland, eine nicht ein mal mehr rauchende Ruine einer Stadt, die wenn man meinem Kollegen glauben darf nicht nur vom Bankrott, bzw. dem bereits vorher beginnenden Untergang der amerikanischen Automobilindustrie getroffen wurde, sondern auch durch jahrzehntelange, verkehrte Rassenpolitik vernichtet wurde. Nun ist der Downtownbereich ziemlich am Ende, auch wenn er –so man denn den Lokalblattern glauben darf gerade wieder einmal vor einer Renaissance steht- es gibt kaum Geschaefte und Arbeit auch nicht viel, die verbleibene schwarze Bevoelkerung ist zu arm um etwas aufzubauen oder wegzuziehen und blieb waehrend der grossen Bevoelkerungsflucht einfach zurueck.

Immerhin die Sportstadien der Detroit Tigers (Comerica Park), Ford Field (Detroit Lions) und der von Jennifer gehassten Red Wings (Eishockey) ziehen noch Besucher und Geld in die Stadt, darum gibt es Inselartig einige Investitionen in Theater, Opernhaeuser und Bars, sowie die neu gestaltete Waterfront am Detroit River am Renaissance Center (die GM Tuerme aus der Tagesschau) und das war’s dann auch schon wieder. Einen Kilometer weiter ist man schon wieder auf dem post-apokalyptischem Mond. Oder in Kanada – denn das liegt auf der anderen Seite des Flusses und sieht aus der Entfernung aus wohl aehnlich aus wie Deutschland von hinter der polnischen Grenze aus gesehen, oder Texas von Mexico aus, oder Polen von Russland… eben besser -dass dies allerdings auch fuer Detroit gilt, das von Kanada aus fast reizend im Sonnenuntergangslicht strahlt sei am Rande noch vermerkt.

Soweit also zu Ausflugszielen auf der Ostseite des I-94. Dass es gen Osten nur selten besser wird wissen die meisten. Das war selbst in Boston so, an welches nur noch ein aermliches East Boston grenzt und dann eine ganze Weile gar nichts mehr. Also haben wir Annes besuch genutzt um endlich mal den Westen weiter zu erkunden, muss doch auch irgendwo eine richtige Stadt geben, und das nur viereinhalb Stunden entfernt. Auch hier zur Verdeutlichung ein Vergleich: Wer schon einmal in Dresden war, dem gefaellt wahrscheinlich auch Prag, nur das letzteres ein wenig groesser ist. Aber im Grunde gar nicht so verschieden, Stadt am Fluss, viel Geschichte, kleine Kneipen und eine fotogene Altstadt. Aehnlich verhaelt es sich auch mit Boston und Chicago, letzteres ist eine Art Prager Alernative zum ersteren. Groessere Stadt an einem aehnlich grossen Gewaesser, jede Menge Geschichte und eine fotogene Skyline. Statt dem 52. Stockwerk muss man sich hier ins 96. begeben um einen Ueberblick zu bekommen, dafuer ist der Yachthafen nur auf einem See. Statt eines Marathons laeuft man hier einen Triathlon, Chinatown und ein kleines Italienerviertel gibt es auch. Waehrend in Boston vor allem die etwas aelteren Praesidenten wirkten (Benjamin Franklin zum Beispiel) hat Chicago nun auch einen, wenn auch etwas juenger. Und in Boston gibts das aelteste Baseball Stadion des Landes, Chicagos Wrigley Field ist Nummer 2, dafuer ist deren Zeitung etwas groesser (Chicago Tribune) als der Globe, wie in Boston hat diese jedoch auch einen Boulevardrivalen. Und wenn man in Boston noch immer ab und an an die frueher aus dem Italienischen Viertel agierende Mafia erinnert wird, hatte Chicago auch den ein oder anderen Kleinkriminellen. Beide Staedte haben auch eine etwas gehobenere Einkaufsmeile –in Boston ist das die Newbury Street und in Chicago beschraenkt man sich auf eine “Magnificent Mile”. Selbst die oeffentlichen Verkehrsmittel sind sich aehnlich, sowohl in ihrer gammlig urbanen Rostigkeit wie auch im Namen. Was in Boston die T ist nennt man hier EL. Unterirdisch fahren beide, nur in Chicago gibt es auch eine Art Hochgleis. Dann hoert es aber auch auf mit den Vergleichen.


1. Trip Ostwaerts - Greencard Interview


Interview ueberstanden - doch das Tor zum Garten Eden ist immer noch zu -auch wenn es hier nur ein botanischer Garten auf Belle Isle in Detroit ist


2. Trip nach Detroit - Tigers Game


Auch ganz oben hat man eine passable Aussicht


Und dann kam sogar noch die Sonne heraus


Die Tuerme aus der Tagesschau. Eine der wenigen nicht Ruinen in der Stadt.


Dem Schweinchen geht's gut


Szenenwechsel - Grant Park Chicago


Selbstportrait


Millenium Park



Hancock Tower


Aussicht vom Hancock Tower und Blick zum Sears Tower


Warren Dunes - Lake Michigan 


...


Sommerende - schon wieder


best,
-k



Thursday, September 02, 2010

Gruene Karte

Und jetzt?
Nach knappen fuenfeinalb Monaten Papierkrieg, Gebuehren zahlen und sich trotzdem nicht sicher sein was da nun am Ende herauskommt, kulminierte der ganze Spass dann am 17. August im bereits einmal umverlegten Greencard Interview in Detroit.

Wer sich noch an den Januar erinnern moechte, mag sich auch erinnern dass die Achterbahnfahrt der letzten Monate eigentlich nie meine Absicht gewesen ist, aber mitunter hat man wohl nicht immer die Wahl seine Zukunft selbst zu gestalten, zumindest nicht wenn man im westlichen Kulturkreis im 'demokratischen System' der Industrienationen im 21. Jahrhundert aufwaechst.

Denn dort muss man noch mit Gesetzen und Schranken arbeiten und umgehen die in die Zeit des kalten Krieges gehoeren und sich nur in Preis und Technikeinsatz an die Zeiten angepast haben. Die Denkansaetze sind da oft noch weit zurueck geblieben.

Nachdem unser Anwalt zum Schnaeppchenpreis von einem Arm und einem Bein sowie den Uebrresten meiner Seele und Jennifers gutem Gewissen schon kurz nach der Hochzeit im Maerz verschiedenste Unterlagen und ordernerweise Informationen ueber mich, Jennifer, ihren Vater und wahrscheinlich auch ueber fast alle anderen Leser dieses Blogs versendet hatte und unsere Hochzeitsgeschenke noch als Kompott der Behoerdenmaschine zum Frass vorgeworfen wurden, gebannen sich die Muehlen des Amerikanischen Visums und Einwanderungsbehoerdensystems auch ganz langsam zu drehen.

Leider zu langsam fuer uns, so wurden wie ihr wisst sowohl der kleine Umzug nach Michigan und die Wohnungsaufgabe in Boston sowie die bescheidenen Investitionen meiner Firma in die Person des Blogautoren ganz zuversichtlich ohne jegliche Garantie ins Blaue unternommen. Nur wenn das blinde Huhn zuversichtlich ist, findet es ein Korn. So verhielten wir uns auch und gingen einfach mal davon aus dass schon alles gut gehen wird, und verhielten uns ganz so, als waeren alle Papiere schon in Ordnung und als koennte dann auch gar nichts mehr dazwischen kommen. Probiert das bloss nicht zuhause selber aus, das kann auch ins Auge gehen.

Wie viele Klippen und Probleme da so lauern will ich gar nicht gross erklaeren, es wird auch schonmal alles einfacher wenn man einen Anwalt alle Dokumente vollstaendig einreichen laesst, da funktioniert schonmal das. Wenn man sich dann selbst ans Amt wendet, um zum Beispiel eine Wohnungsaenderung anzumelden, kann das schon nach hinten losgehen. Nachdem wir insgesamt 4 Briefe zur Bestaetigung unserer Adressaenderung bekamen (fuer jeden Antrag einen) und meine Arbeitserlaubnis (Etappenziel 1) schon mal nach Ann Arbor geschickt wurden, ging die Reiseerlaubnis leider nach Boston. Und auch das Interview sollte dort stattfinden. Das Gedaechtnis des Departments fuer Homeland Security ist wohl recht kurz.

Ein kurzer Telefonanruf der Anwaeltin loeste den kleinen Schrecken jedoch auf. Neuer Termin war dann der bereits erwaehnte 17. August (ja, ich haenge mit dem Schreiben ein wenig hinterher) - und diesmal wurde es ernst.
Die korrigierte wie auch die widerrufene faelschlich abgesandte EInladung enthielten bereits einen Vorgeschmack auf das Interview, eine Liste vorzulegender Materialien. Diese Enthielt unter anderem: Geburtsurkunde, Heirasurkunden, EInkommensnachweise, Nacheise ueber Eltern, Sposoreneinkommen,  vorherige Ehen und Scheidungen, Nachweise ueber den gemeinsamen Lebensweg -also Rechnungen, Briefchen und Bildchen etc. Nach Absprache mit der Anwaeltinund Probebefragung am Telefon wurde der ganze Satz Beweismittel dann zusammengestellt, kopiert und geordnet um damit selbst den ersten geimeinsamen Furz noch dokumentieren zu koennen.

Auch wurde man instruiert den schon aus dem Flieger bekannten ganz ernsten Fragen nach eventuellen terroristschen Vorhaben, Vortaten, Mitwirkungen am Voelkermord, Nazisein zwischen 1933 und 1945, Sprengstoffkenntnissen, Kinderentfuehrungen (nur amerikanischer Staatsbuerger), Zuhaelterdasein sowie einer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei auf GAR KEINEN FALL mit "ja" oder "vielleicht" zu beantworten, oder gar einen Scherz zu machen.  Das ist ja alles ganz ernst.

Als nach fieberhafter Arbeit am 16. August gegen Mitternacht der Papierturm zu Babel dann fertig war, gingen wir dann doch etwas nervoes zu Bett -nicht unbedingt wegen des Interviews, aber es waere  schade schon auf dem Weg dahin im Asphaltdschungel Detroits erschossen zu werden- und wie wahrsceinlich das war wussten wir dann auch nicht wirklich so genau. Ein paar Scherze im Reisefuehrer ueber "wasteland" und "Apokalypse" blieben einem doch im Gedaechtnis haengen. Und die Anfahrt durch einige weniger freundliche Vorrorte, verlassene Strassenzuege und ausgebrannte Ruinen (bestimmt Drogenkuechen) war auch schon mal nicht langweilig, da erschien das Buerogebaeude am Horizont fast wie das Licht am Ende des Tunnels und uebberraschend freundlich.

Und dann gings auch schon los. Nach einer kleinen Ermunterung durch den beurteilenden Beamten, dass zumindest alle Papiere in Ordnung seien, ging der sehnlichste erwartete grosse Kampf (mit dem von mir als Endgegner in einem Videospiel empfundenen Richter") auch schon los.

Zuerst wurde die bereits angesprochene Fragebatterie des Unsinns (selektiv) abgearbeitet, und ich muss es dem "Richter" zu Gute halten mich nicht nach meiner Rolle im Holocaust gefragt zu haben. Nachdem ich alle relevanten Fragen zufriedenstellend ernsthaft mit 'nein' beantwortet hatte, ging es dann in die Hauptrunde.

R: Wie heissen Sie?
MK: Matthias Kuhlmeier.

R: Wo wurden Sie geboren?
MK: Zittau, Deutschland.

R: Wann ist Ihr Geburtstag?
MK 07. 08. 1983.

R: Wann ist Jennifer's Geburtstag?
MK ... (uhm) 15. .... 12. ...19 hundert  (eisiger Blick Jennifers, Vernunft kaempft gegen Dummheit... MK will 70 sagen, darf aber keinen Scherz machen... 80. (Gerade noch gut gegangen)
J: (denkt sich - jetzt der Idiot es tatsaechlich fast versaut)

R: Jennifer, wie haben sie sich kennengelernt?
Also..bla bla...- die 20min Zusammenfassung sparen wir uns, die Geschichte kennen die meisten- und das war auch schon de letzte Frage.
.
R: Gut das wars, klingt alles gut, herzlich willkommen. Sie bekommen Ihre Karte innerhalb von 2 Wochen postalisch zugestellt.

MK(denkt sich) Ist das alles? Willst du mich verarschen? Ich will mein Geld zurueck... die bloeden Papiere und den Sack voll Dokumente will keiner sehen. Grossartig, Hauptsache nicht geschlafen deswegen und jetzt zurueck auf Arbeit...)
MK (sagt): Danke, das war sehr nett.
J: freut sich und strahlt.


So schnell kann's gehen und nun sitz ich hier und frage mich - musste das sein?
Vielleicht.
Wissen kann man das immer erst nachher. Aber ich hoffe der Bloedsinn bleibt kommenden Generationen erspart - wenn ich an die Tage, Woche und Monate denke in denen man sich den Kopf zerbrochen hat ob ein Staat einem eine Beziehunge erlauben und/oder verbieten kann (oder darf) schuettelt man schon mit dem Kopf und aergert sich ueber die grauen Haare die einem in einer intelligenteren Gesellschaft wohl nicht haetten wachsen muessen.
Aber beklagen wollte ich mich nicht - immehin haben wir jetzt zumdindest vorrebergehend ein wenig Bewegungsfreiheit gewonnen und koenne ohne Visaangst zwischen 2 Laendern hin- und herfliegen. Damit sind wir dem 21. Jahrhundert schon mal einen halben Schritt naeher gekommen.

Im uebrigen hab ich das begehrte Kaertchen jetzt auch schon bekommen, davor gabs noch mal einen Brief vom Amt, "Wir freuen uns Sie ... begruessen zu duerfen...Freiheit...Amerika...bla bla"
Ein wenig Hohn ist da schon dabei und die Freiheitsstatue, sollte, wenn sie sich den ganzen Bloedsinn mal richtig anschaut spaetestens jetzt zurueck nach Paris gehen und ihre Schwester besuchen, die steht dort noch immer und wartet.


best,
-k